September 2025
Foto der Stadt Diez bei Hochwasser, Februar 1879
Die Entwicklung leichter Fotokameras und lagerfähiger
Negativplatten bot seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die
Möglichkeit, fast beliebige Motive schnell im Bild festzuhalten. Die Fotografie
lag damals fast ausschließlich in den Händen hauptberuflicher Fotografen. Sie
beschäftigten sich zumeist damit, nach Terminvereinbarung und zu festen
Preisen Porträt- und Gruppenfotos anzufertigen. Damit hatten sie kein
unternehmerisches Risiko.
Anders war es mit Landschaftsaufnahmen und Fotos von
besonderen Ereignissen. Motive dieser Art wurden nicht auf Bestellung
fotografiert. Vielmehr mussten die Fotografen beweglich sein, zunächst auf
eigene Rechnung arbeiten und dann versuchen, ihre Bilder zu verkaufen. Je
spektakulärer das Motiv, desto höher die Chance auf ein lukratives
Geschäft.
Bilder vom Hochwasser gehörten zu den Fotografien, die
sich gut absetzen ließen. Eines der ältesten erhaltenen Hochwasserfotos aus
Diez entstand im Februar 1879. Von dem ortsansässigen Berufsfotografen Carl
Bender (1846-1902) aufgenommen, zeigt es die überschwemmte Diezer Neustadt im
Vordergrund mit der dahinterliegenden Altstadt und der breit angeschwollenen
Lahn in Richtung Aull. Die Szenerie wirkt idyllisch und ruhig, aber die Höhe
des Wasserstands lässt erahnen, was dies für die Betroffenen bedeutete.
Wie viele Fotos der damaligen Zeit, ist die Aufnahme
sehr scharf und detailreich. Nur die beweglichen Motive – Menschen und Boote –
sind verschwommen, weil die geringe Lichtempfindlichkeit der damaligen
Fotoausrüstungen und -chemikalien lange Belichtungszeiten erforderte. Abgesehen von seinem aktuellen Anlass ist
das Foto Carl Benders eine wichtige historische Momentaufnahme. Es zeigt den
Entwicklungsstand der Stadt am Beginn einer Umbruchphase: Die Synagoge, angeschnitten rechts
unten im Bild, ist bereits gebaut, ebenso das große Kasernengebäude im heutigen
Wilhelm-von-Nassau-Park. Die restlichen Kasernenbauten aber fehlen noch. Bis
auf den Schornstein der Marmorfabrik in der Oraniensteiner Straße sind
noch keine Hinweise auf die beginnende Industrialisierung zu finden. Noch
fehlen die später so zahlreichen Riesenschornsteine der Ringöfen und Dampfkessel.
Auch das „Ruinchen“ am Rande des Oranienstein-Geländes steht noch. Es musste
wenige Jahre später dem Kalkabbau weichen.
Die sehr gut erhaltene Fotografie ist die freundliche
Schenkung einer Diezer Bürgerin an die Sammlungen der Stadt Diez.


