Fantasiebild von Menschen in den Wildweiberlei-Höhlen bei Altendiez, 1925
Objekt des Monats April 2025
Auf die Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 folgten ein Industrialisierungsschub
und ein Bauboom riesigen Ausmaßes. Ein kleiner Nebeneffekt war, dass der Bedarf
an gebranntem Kalk rapide anstieg. Die Erfindung effizienter Ringöfen und die
Einführung der Steinkohlefeuerung hatten es kurz zuvor möglich gemacht, der
großen Nachfrage gerecht zu werden. Jedoch mussten viele neue Steinbrüche
angelegt werden, um an die nötige Menge an rohem Kalkstein zu kommen.
Zu dieser Zeit entstanden im kalkreichen Unterlahngebiet viele Steinbrüche mit
nahegelegenen Ringöfen. Einer davon wurde 1891 von den „Weißkalkwerken Gebr.
Bühl“ in der Nähe der Lahn unterhalb von Altendiez erbaut, um die dort hoch
aufragenden Kalksteinfelsen direkt vor Ort zu Baukalk zu verarbeiten.
Anfang der 1920er Jahre kam eine Felspartie mit einem ausgedehnten Höhlensystem
in die Reichweite des Abbaus: die „Wildweiberlei“. Es war bekannt, dass dort
Hinterlassenschaften von Menschen der Eiszeit zu finden waren. So machte sich
eine Gruppe um den Heimatforscher Hermann Heck daran, die Höhlen zu vermessen
und dort noch aufzufindende eiszeitliche Artefakte zu bergen. Die Grabungen
förderten zwischen 1920 und 1927 weit über 200 Fundstücke zu Tage, zu denen
Überreste eiszeitlicher Tiere, Gebrauchsgegenstände und vor allem
Steinwerkzeuge und Überreste der Werkzeugbearbeitung gehörten. Im Inventarbuch
ist von der „Aufdeckung einer vollständigen Werkstatt mit allem Zubehör“ die
Rede, und dies regte offenkundig die Fantasie der Beteiligten an.
Der an den Erkundungen beteiligte Diezer Maler Albert Rodday malte 1925 ein
großformatiges Ölbild, in dem er seine Vorstellungen von der Arbeit einer
Gruppe von Eiszeitmenschen am Höhleneingang festhielt. Die nur skizzenhaft
ausgeführte Szenerie zeigt den Blick aus der Höhle heraus auf eine Gruppe von
sechs halbnackten und nackten Menschen, die am Feuer grillen bzw. sich mit
Waffen oder Werkzeugen beschäftigen. Ihre Tätigkeiten stehen in direktem
Zusammenhang mit den in den Höhlen geborgenen Fundstücken.
Nachdem das Gemälde lange Zeit verschollen war, gelangte es vor einigen Jahren
wieder in den Besitz der Sammlungen der Stadt Diez.